Wenn Hochschulen komplette Studiengänge nur auf Englisch und nicht mehr in der Landessprache anbieten, wirft das verfassungsrechtliche Probleme auf. Ein Urteil des italienischen Verfassungsgerichts zu dieser Frage könnte auch für Deutschland wegweisend sein.


Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einführung von Englisch als ausschließlicher Lehrsprache an öffentlichen Hochschulen Italiens

 

Nachdem der Beschluss der Technischen Universität Mailand (Politecnico di Milano), in der Lehre und den Prüfungen sämtlicher weiterführender Studiengänge und Doktorandenprogramme nur noch die englische Sprache zuzulassen, 2013 vom zuständigen Verwaltungsgericht annuliert worden war (mit Argumenten, die in dieser Pressemitteilung des ADAWIS zusammengefasst sind), formulierte der italienische Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil von 2017 hohe Hürden für die Einführung rein englischsprachiger Studiengänge. Der Vorrang der italienischen Sprache sei ebenso zu respektieren wie das Prinzip der Gleichheit, des Rechts auf Bildung und der Freiheit der Lehre. Komplette Studiengänge in englischer Sprache sind nur dann möglich, wenn sie solchen in italienischer Sprache zur Seite gestellt sind.

Die gesamte Chronologie des Rechtsstreits sowie weitere Kommentare zu der causa Mailand finden sich hier.


Was sagt das deutsche Grundgesetz?

 

Vor dem Hintergrund des Rechtsstreits in Italien untersucht Axel Flessner, emeritierter Professor der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, die verfassungsrechtliche Relevanz von ausschließlich in englischer Sprache angebotenen Studiengängen in Deutschland. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es das Grundgesetz (GG) verbietet, die deutsche Sprache aus der deutschen akademischen Lehre zu verdrängen. Die Ausbildungs- und Berufsfreiheit der Studierenden (Art. 12 GG), die Berufs- und Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer (Art. 5 und 12 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Studierenden und Lehrenden (Art. 2 GG), das Verbot der Diskriminierung und Privilegierung wegen der Sprache (Art. 3 GG), das Demokratiegebot für alle staatlichen Institutionen (Art. 20 GG), die Stellung der Universitäten im Bildungssystem und die verfassungsrechtliche Verantwortung des deutschen Staates für seine Sprache verpflichten den Staat, zu gewährleisten, dass man an seinen Universitäten jedes Fach auch auf Deutsch studieren kann.

Hier geht es zu dem Aufsatz „Der Rechtsanspruch auf die Landessprache in der Universität“, erschienen in der Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2015, Heft 7 (Oktober), S. 212-215 (Verlag C.H. Beck, München).

Die Ausführungen wurden vom Autor ergänzt durch den Aufsatz „Sprachpolitik für die Internationalisierung der Hochschulen in Europa – Der rechtliche Rahmen“ in der Zeitschrift Die Öffentliche Verwaltung (DÖV), Zeitschrift für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft, 72. Jahrgang, Heft 10, Mai 2019, S. 373-383. Hier wird über die neuere Rechtsentwicklung in Europa (Frankreich, Italien, Niederlande) berichtet und in diesem Lichte die Rechtslage in Deutschland vertieft dargestellt.