Internationale Vernetzung wird immer wichtiger. Doch die Einschränkung auf die englische Sprache im Hochschulalltag wird das interkulturelle Verständnis eher behindern und die Integration ausländischer Studenten, die nach ihrem Abschluss hier auch langfristig arbeiten wollen, erschweren.


Die Landessprache in der Lehre – welche Bedeutung kommt ihr bei der Internationalisierung zu?
von Olga Rösch, Günter Tolkiehn, Ralph Lehnert

 

Mit dieser Frage beschäftigt sich ein lesenswerter Artikel, der in der Zeitschrift Die Neue Hochschule, dem Organ des Hochschullehrerbundes (hlb), erschien. Die Autoren analysieren sehr scharfsinnig den Irrtum, dem unsere Hochschulen erliegen, wenn sie den von uns allen gewünschten interkulturellen Austausch durch die Einführung des Englischen als Lehrsprache erreichen wollen. Die Abschaffung der Landessprache in der Hochschule hat dramatische Konsequenzen für die Qualität der Lehre, für den Zusammenhalt der Gesellschaft, für das interkulturelle Verständnis sowie für die Integration der Absolventen, die bei uns bleiben wollen.

Fazit: Internationalisierung und Landessprachen – Hochschullehre braucht beides!

Wenn Sie den Text weiterverwenden möchten, beachten Sie bitte die Quelle (DNH 6/2019, S. 12-15) sowie die lizenzrechtlichen Hinweise!


Praxis der Internationalisierung an den öffentlichen Hochschulen - da läuft etwas falsch!

 

Als Reaktion auf einen aufrüttelnden Bericht, dem zufolge öffentliche Hochschulen aufgrund völlig falsch verstandener Internationalisierungsstrategien sogar qualitative Einbußen in Kauf nehmen, richtete der ADAWIS im November 2017 einen Brief an die in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) vertretenen, für die Bildungs- und Hochschulpolitik der Länder verantwortlichen Landesminister/Senatoren sowie an das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Der ADAWIS kritisierte darin scharf die oberflächliche Praxis der Internationalisierung der öffentlichen Hochschulen. Die Antworten der Länder waren zum großen Teil ernüchternd: Der Politik genügt es, wenn sich die Hochschulen auf „English only“ beschränken, statt fachspezifische Konzepte für mehrsprachige Lehre einschließlich verbindlicher Sprachlernmodule zu entwickeln. Aus Sicht der Länder scheinen negative Folgen dieser Praxis für die Qualität der Lehre sowie die Integration ausländischer Absolventen in den deutschen Arbeitsmarkt nicht zu existieren.

Lesedauer: 10 Minuten (4 Seiten)


Bildungsausländer wandern aus

 

Eine internationale Vergleichsstudie des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration zeigt, dass die meisten der in Deutschland studierenden Ausländer nach ihrem Abschluss auch in Deutschland arbeiten möchten, dass dies jedoch nur wenigen von ihnen gelingt. Ein Grund hierfür ist, dass fast 40 % der ausländischen Absolventen nach dem Studium an einer deutschen Hochschule kein oder nur rudimentäres Deutsch sprechen. Darüber berichtet die TAZ in einem Artikel vom 19. 4. 2012. Angesichts des bevorstehenden Fachkräftemangels müssen sich die Hochschulen endlich ihrer Verantwortung bewusst werden und die deutsche Sprache in den Curricula berücksichtigen.


Olga Rösch: „Internationalisierung der Hochschule - was sind unsere Ziele?"

 

Dieser Artikel, der in der Zeitschrift Die Neue Hochschule (Heft 1, 2015, S. 18-24) erschien, zeigt auf, dass die Umstellung der Lehrsprache auf Englisch keineswegs als Ausweis der Internationalität gelten und schon gar nicht eine Bedingung für „Internationalisierung“ sein kann, sondern echte Interkulturalität eher verhindert und die Integration ausländischer Studenten erschwert. Der Aufsatz geht auf den Vortrag zurück, den die Autorin auf dem Kolloquium „Internationalisierung der Hochschulen – Entwicklungen und Korrekturbedarf aus der Sicht der Lehrenden“ gehalten hat, welches der Hochschullehrerbund (HLB) mit Unterstützung des BMBF 2014 in Bonn veranstaltete.

In einem vorangegangenen Aufsatz mit dem Titel „Internationalisierung der Hochschulen - und was ist mit Kultur?" (Die Neue Hochschule, Heft 3, 2013, S. 70-74) zeigt die Autorin auf, dass der Verwendung des Englischen anstelle des Deutschen eine gewaltige kulturelle Dimension zukommt und dass für eine erfolgreiche Gestaltung der Internationalisierung v.a. das kulturelle Selbstvertrauen des Gastlandes, verbunden mit einer interkulturellen Kompetenz, entscheidend ist.

Die Autorin ist Vizepräsidentin des HLB und hat eine Professur für Interkulturelle Kommunikation inne.


R. Mocikat und H.H. Dieter: „Bildungsgänge nur auf Englisch: Zeichen der Internationalität oder ideologische Nebelkerze?"

 

Auch dieser Artikel aus der Zeitschrift Die Neue Hochschule (Heft 6, 2017, S. 30-31) kommt zu dem Schluss, dass gelebte Internationalität differenzierter Mehrsprachigkeit bedarf. Neben dem Englischen weitere Fremdsprachen zu erlernen, sollte „internationalen“ ebenso wie den deutschen Studenten endlich als Mehrwert nahegebracht werden.


Ausländische Studierende in englischsprachigen Studiengängen wollen mehr Deutsch lernen

 

Ausländische Studierende, die englischsprachige Studiengänge absolvieren, erhalten meist keine Gelegenheit, Kenntnisse der deutschen Sprache zu erwerben oder anzuwenden. Mehrere Evaluationen, die das „Fachbüro für internationales Bildungsmanagement" (FiB) durchführte, zeigten, dass diese Studenten sich ausgegrenzt fühlen und mit ihrem Aufenthalt in Deutschland unzufrieden sind. Die Annahme, dass ein „deutschfreies" Studium in Deutschland dessen Attraktivität als Studienstandort steigert, bestätigte sich damit letztendlich nicht. Darüber berichtet der Artikel „Sprecht Deutsch mit uns" in der Zeitschrift Forschung und Lehre.

Eine größere empirische Untersuchung zur Sprachsituation ausländischer Studenten in englischsprachigen Studiengängen an deutschen Hochschulen kommt ebenfalls zu ernüchternden Ergebnissen. Sie zeigt auf, wie wir unseren Gaststudenten und uns selbst schaden, wenn wir jene sprachlich nicht in unsere Gesellschaft integrieren. Die Lektüre des Buches ist ein Muss für alle, die sich mit Internationalisierungsstrategien beschäftigen:

 

Christian Fandrych und Betina Sedlaczek: I need German in my life. Eine empirische Studie zur Sprachsituation in englischsprachigen Studiengängen in Deutschland. Stauffenburg-Verlag 2012


Folgen der Anglophonisierung für die Wirtschaft

 

Die mittelständische Wirtschaft sucht dringend nach Fachkräften. Ausländische Absolventen rein englischsprachiger Studiengänge sind jedoch oft gezwungen, Deutschland zu verlassen, weil sie während des Studiums die Landessprache und die nötigen Fachterminologien nicht gelernt haben. Sie haben daher kaum Chancen auf Integration in den Arbeitsmarkt. Mit dem Bund der Selbständigen (BDS) hat sich nun auch ein Wirtschaftsverband dem Problem zugewandt.