Englischsprachige Publikationen sind zwingend erforderlich, um Ergebnisse weltweit mitzuteilen. In vielen Fächern, etwa mit regionalem, gesellschaftlichem und kulturellem Bezug, sind jedoch auch Artikel in der Landessprache weiterhin nötig. Solche werden nicht zuletzt durch die Anwendung von Impact-Faktoren in der Forschungsevaluation zurückgedrängt. In vielen Journalen dürfen Autoren nicht einmal mehr nicht-englischsprachige Literaturstellen zitieren und müssen falsche Zitate angeben. Bedeutende Denktraditionen und gewaltige Wissensbestände drohen verloren zu gehen.

Quelle: ADAWIS

In der Forschungsevaluation versucht man, anhand bibliometrischer Maßzahlen die Leistung von Wissenschaftlern sowie ganzer Forschungseinrichtungen zu quantifizieren. Vorrangig bedient man sich dabei des so genannten Impaktfaktors, der für wissenschaftliche Zeitschriften auf der Grundlage ihrer Zitierhäufigkeit definiert wird. Zweifel an der Validität des Impaktfaktors, also an der Frage, ob er tatsächlich den Parameter misst, den er zu messen vorgibt, sind jedoch angebracht. Die Anwendung von Zitatenindices hat erhebliche Folgen für die Publikations- und Wissenskultur und dürfte auch für den Ausschließlichkeitsanspruch des Englischen als Publikationssprache (mit-)verantwortlich sein. Der Impaktfaktor ist nämlich eine Messgröße, die Rückwirkungen auf den Parameter ausübt, der gemessen werden soll. Weitreichende Transformationen, welche sogar die  Forschungsinhalte betreffen, sind die Folge.

In dem Artikel „Die Diktatur der Zitatenindizes: Folgen für die Wissenskultur", der in der Zeitschrift GAIA erschienen war, wird die ganze Absurdität des Impact-Faktors beleuchtet. Auch der Aufsatz „Qualitätsbewertung in den Naturwissenschaften mithilfe quantitativer Parameter: Ein Paradox?", den die Sächsische Akademie der Wissenschaften in ihrem Journal Denkströme veröffentlichte, zeigt die Verwerfungen auf, welche entstehen können, wenn man die Qualität wissenschaftlicher Arbeit mithilfe quantitativer Kenngrößen abzubilden versucht.

Die gegenwärtige Evaluationspraxis verleitet Zeitschriften dazu, ihre Bedeutung aufzublasen, und verführt Wissenschaftler, sich in Rankings nach oben zu mogeln. Der Artikel „Wer sich nicht erpressen lässt, wird nicht gedruckt" in der FAZ vom 7. 3. 2012 beleuchtet die gesamte Absurdität der Wissenschaftsevaluation anhand von Impactfaktoren.

Der Zwang zum Gebrauch des Englischen geht so weit, dass manche Zeitschriften den Autoren verbieten, ältere Literaturstellen zu zitieren, die nicht englischsprachig sind. In diesem Falle werden sie gezwungen, falsche Referenzen anzugeben, wie in dem hier beschriebenen Beispiel berichtet wird. Letztlich bedeutet diese Praxis Wissenschaftsfälschung, Geschichtsklitterung und Auslöschung des kulturellen Gedächtnisses.

Wie die Deutsche Welle in dem Beitrag „Man liest nicht länger Deutsch" am Beispiel der Archäologie erläutert, kann dies sogar dazu führen, dass bereits vorhandene wissenschaftliche Ergebnisse „neu erfunden werden", um sie in englischsprachigen Werken zu publizieren. Gleichrangige frühere Werke werden ignoriert, nur weil diese in einer Sprache geschrieben worden sind, die die Studenten oder Forscher „nicht mögen". Falls hier keine Abhilfe geschaffen wird, würden sich andere als anglophon geprägte Sichtweisen und Forschungstraditionen bald der Kenntnis entziehen.

Im Jahre 2014 wurde mit der Zeitschrift Mikroskopie ein Organ ins Leben gerufen, das bewusst auf deutschsprachige Artikel setzt. Zur Begründung heißt es:

„Für manchen Nicht-Muttersprachler mag die englische Sprache notgedrungener Weise ein Verständigungsmittel darstellen, um international wahrgenommen zu werden; dennoch bleibt die eigene Muttersprache für die Mehrzahl der schreibenden Professionen das eigentliche persönliche Ausdrucksmittel, vor allem dann, wenn Inhalte möglichst nuanciert, differenziert und mit einem Höchstmaß an treffendem Ausdruck transferiert werden sollen." Ein Leitartikel in der ersten Ausgabe fasst zusammen, warum Aufsätze in der Landessprache weiterhin gerechtfertigt sind.

Wichtig ist zu wissen, dass - unbeschadet einer Veröffentlichung in Mikroskopie - die Beiträge oder Teile von ihnen auch in englischer Übersetzung in anderen Journalen publiziert werden können. 

Dieser Beitrag erläutert, wie sich die biomedizinische Forschung sprachlich von der Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses absondert, weil letztere aus guten Gründen weiterhin der deutschen Sprache verpflichtet sein muss, während erstere auf den ausschließlichen Gebrauch des Englischen setzt, um damit ihren „Internationalisierungserfolg“ zu dokumentieren. Die Wissenschaft distanziert sich also auch hier immer mehr von der Öffentlichkeit. Was das Publikationswesen in den biomedizinischen Disziplinen betrifft, entsteht ein Problem unüberschaubaren Ausmaßes durch Veröffentlichungen, die von künstlicher Intelligenz (sog. Papiermühlen) verfasst werden und frei erfundene Daten präsentieren.

Dieser lesenswerte Aufsatz stellt die Sprachlichkeit von Wissenschaft in die größeren Zusammenhänge der Ökonomisierung und Globalisierung. Den Hintergrund für die gegenwärtige Entwicklung bilden „neue Formen gesellschaftlicher und politischer Machtausübung, die Kommunikations- und Informationsströme global kontrollieren und steuern … wollen“. In der Macht von Zitatenindices etwa spiegelt sich die Orientierung an einem hegemonialen Wissenschaftsmarkt wider, der differente Weltdeutungen nicht mehr zulässt. Mögliche Alternativen zu dieser Entwicklung werden aufgezeigt.

Der Aufsatz erschien in dem Buch „Bildungskonzepte und Lehrerbildung in europäischer Perspektive". Hrsg.: Siegfried Gehrmann, Jürgen Helmchen, Marianne Krüger-Potratz, Frank Ragutt. Waxmann-Verlag, Münster/New York, 2015.