In der Hochschullehre sind „interne“ und „externe“ Wissenschaftskommunikation innig verschränkt, weil die Absolventen nur selten in der Wissenschaft verbleiben, sondern meistens ihre erworbene Expertise in der lokalen/regionalen/nationalen Wirtschaft oder der Verwaltung einbringen werden. Hierfür sind Kenntnisse der Landessprache und landessprachlicher Terminologien zwingend erforderlich. Sie sind insbesondere Voraussetzung dafür, dass ausländische Absolventen auf dem Arbeitsmarkt Erfolg haben, wo sie dringend gebraucht werden. Wenn, wie immer wieder gefordert, die Kommunikation mit der nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit schon Inhalt der akademischen Ausbildung sein muss, stellt sich die Frage, wie Hochschulen dies leisten sollen, wenn sie ausschließlich in einer Fremdsprache lehren.

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat sich in einer Arbeitsgruppe, in der auch der ADAWIS maßgeblich mitarbeitete, mit dem Verhältnis zwischen dem Englischen und der Landessprache in Forschung und Lehre auseinandergesetzt. Ziel war die Formulierung von Empfehlungen, auf die Hochschulleitungen zum Beispiel bei der Einführung fremdsprachiger Studiengänge zurückgreifen sollen.
Das Empfehlungspapier „Sprachenpolitik an deutschen Hochschulen" ist ein Bekenntnis zur Mehrsprachigkeit: „Die Sprachenvielfalt soll sowohl zum Erhalt des Deutschen in den Wissenschaften beitragen als auch den qualifizierten Erwerb und Einsatz anderer Sprachen unterstützen." Grundsätzlich soll am Deutschen als Sprache der grundständigen Lehre festgehalten werden; Sprachlernprogramme sollten in die Studiengänge integriert werden. Um Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen, sollten Publikationsindices geschaffen werden, die auch nicht-englischsprachige Veröffentlichungen berücksichtigen. Die HRK gab hierzu diese Pressemitteilung heraus.

In diesem Sinne setzt sich auch der damalige Präsident der HRK, Prof. Horst Hippler, in einem Interview in Welt-Online für Deutsch als Wissenschaftssprache ein: „Es ist falsch, wenn nur englisch gesprochen wird."

In ihrer Entschließung vom 14. 5. 2024 bekräftigte die HRK diese Empfehlungen.

Seit 2022 gilt in Bayern das „Hochschulinnovationsgesetz“, dem jahrelange Diskussionen vorangegangen waren. Damit wurde die bisherige Regelung abgeschafft, wonach ein rein englischsprachiger Studiengang im grundständigen Bereich nur genehmigt werden kann, wenn er parallel auch in deutscher Sprache angeboten wird. Hier eine Chronologie:

Gleich nach Bekanntwerden der Pläne der Staatsregierung im Jahre 2019 fragte der ADAWIS alle bayerischen Hochschulleitungen, ob sie von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, deutschsprachige grundständige Lehrangebote abzuschaffen. Interessanterweise waren es gerade die Fachhochschulen und unter diesen wiederum die kleineren und an peripheren Standorten angesiedelten, welche dies entschieden befürworteten. Informationen zu der verfassungsrechtlichen Problematik von Studiengängen, die nicht mehr in der Landessprache studiert werden können, finden Sie hier.

Neben der Möglichkeit, auf deutschsprachige Lehrangebote gänzlich zu verzichten, schreibt die Novelle vor, dass die von den Bewerbern geforderte Englischkompetenz in rein englischsprachigen Studiengängen das Niveau B1+ nicht überschreiten darf. Es fragt sich, wie unter dieser Voraussetzung ein akademisches Studium ohne eine deutliche Absenkung des inhaltlichen Niveaus gelingen soll.

Vor diesem Hintergrund forderte der Landtag am 17. 6. 2020 die bayerische Staatsregierung mit der Landtagsdrucksache 18/8462 dazu auf, mit der Novelle des Hochschulgesetzes auch dafür zu sorgen, dass Deutsch als Wissenschafts- und Verkehrssprache in allen Studiengängen weiterhin (oder erneut) verpflichtend Beachtung findet. Die entsprechende Beschlussvorlage vom 22. 4. 2020 hatte der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst des bayerischen Landtages mit den Stimmen von CSU, SPD, B90/Grünen und der Freien Wähler, jedoch gegen die der AfD, in den Landtag eingebracht; die FDP hatte sich im Ausschuss enthalten.

Gegen den Gesetzentwurf formierte sich erheblicher Protest von Seiten zahlreicher Verbände. Dieser richtete sich v.a. gegen die neu vorgesehenen Organisationsstrukturen. (Da war u.a. von einem „neuen Führerprinzip“ die Rede.) Was die Sprachenpolitik in der Lehre betrifft, meldete sich der ADAWIS mit dieser Stellungnahme zu Wort. Eine ganz ähnliche Einschätzung gaben die Sprachenzentren der bayerischen Hochschulen ab.

Nach zahlreichen Verbändeanhörungen, Diskussionen im Wissenschaftsausschuss, Erklärungsversuchen des damaligen Wissenschaftsministers Bernd Sibler und schließlich dessen Ablösung durch Markus Blume wurde der Entwurf komplett überarbeitet. Hinsichtlich der Sprachenpolitik hat sich gegenüber dem vorangegangenen Entwurf jedoch leider absolut nichts verändert. Im Juli 2022 passierte der Entwirf den Landtag. Allerdings brachte die CSU einen Änderungsantrag ein, der von den Hochschulen nicht nur die Vermittlung von „Grundkenntnissen“ der deutschen Sprache einforderte, sondern auch von fachsprachlicher Kompetenz. Anders wäre die Integration der späteren Absolventen in unseren Arbeitsmarkt wohl kaum zu gewährleisten. Ob die daraufhin in das Gesetz aufgenommene Formulierung "hinreichende" Kenntnisse die Hochschulen strenger in die Pflicht nimmt, ist fraglich.

Die Technische Universität München (TUM) hatte 2013 beschlossen, bis zum Jahre 2020 in fast allen weiterführenden Studiengängen die Lehrsprache auf Englisch umzustellen. Eine Möglichkeit, diese Fächer auch auf Deutsch zu studieren, sollte es dann nicht mehr geben. Studenten, große Teile der Presse sowie namhafte Politiker standen diesem radikalen Vorhaben kritisch gegenüber (siehe z.B. Pressemitteilung des ADAWIS sowie Beitrag des Bayerischen Rundfunks „TU München will ganz modern sein - Brillante Idee oder Bullshit?" und die zahlreichen Hörerkommentare hierzu).

Seit 2025 zeichnet sich an der TUM – nicht zuletzt im Hinblick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt – ein Umdenken ab: So sollen außer im Bereich der Raumfahrt auch weiterhin deutschsprachige Lehrangebote bereitgestellt werden, Programme zum Erlernen der deutschen Sprache sollen unterstützt werden, Öffentlichkeitsarbeit soll nur in der Landessprache erfolgen, in englischsprachigen Kursen werden Englischkenntnisse auf dem Niveau B1+ (wie im Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz vorgegeben) als unzureichend angesehen.

Im Jahre 2021 löste ein Blog-Beitrag des ADAWIS auf der Seite des Wissenschaftsjournalisten Jan-Martin Wiarda zu den an der damals noch in Gründung befindlichen Technischen Universität Nürnberg vorgesehenen rein englischsprachigen Studiengängen eine breite Diskussion aus.

Die TU Braunschweig hat 2019 Empfehlungen zur Sprachenpolitik veröffentlicht, die in mancher Hinsicht als Vorbild dienen könnten. Hier wird Internationalisierung nicht mit „English only" gleichgesetzt. Die grundständigen Studiengänge sind ausschließlich deutschsprachig, im weiterführenden Bereich spielt aber auch die Befähigung zum englischsprachigen Wissenschaftsdiskurs eine wichtige Rolle. Für ausländische Bewerber sind Deutschkurse auf Niveau B2 und C1 vorgesehen. Erfreulicherweise wird dem integrationspolitischen Aspekt, der Beschäftigungsfähigkeit in Deutschland und gesamtkulturellen Gesichtspunkten hohe Bedeutung beigemessen. 

In rein englischsprachiger Lehre muss nicht nur auf Inhalte gänzlich verzichtet werden, etwa wenn Texte nur auf Deutsch vorliegen (z.B. Gesetze im Bauingenieurwesen). Es gibt auch Defizite in der Rezeption des in den Vorlesungsplänen noch verbliebenen Stoffes. So zeigen Untersuchungen aus Skandinavien, dass die Interaktion zwischen Dozenten und Studenten abnimmt und dass seitens der Studenten mehr Nacharbeit geleistet werden muss. Beim Studium von Lehrbüchern bleiben 25 % der Inhalte weniger im Gedächtnis haften, wenn es sich um fremdsprachige Bücher handelt (Gulbrandsen et al., JAMA 287 (2002), 2851-2853).

In einer Gastkolumne in Focus-Online kritisiert Jens Rehländer den Englisch-Wahn an unseren Universitäten. Die Folge der kommunikativen Einengung auf eine vereinfachte Einheitssprache wird sein: Standard und Mittelmaß.

Dies alles ist keine Argumentation gegen die Internationalisierung. „Im Gegenteil: Wenn die Zusammenarbeit mit den ausländischen Studierenden gut funktioniert, sind diese eine große Bereicherung ... Doch dafür muss man sich verstehen." Mit diesem Fazit kritisieren zwei Hochschullehrer in einem Beitrag in Zeit-Online vom 6. 4. 2017 jene Universitäten, die beide Augen zudrücken, wenn ausländische Studenten das Deutsche nicht beherrschen, aber auch kaum über die nötigen Englischkenntnisse verfügen. Damit wird dem Schein der „Internationalität" selbst die Qualität der Ausbildung geopfert („Internationale Studenten: Ohne Worte").

Studien, wie sie z.B. in Schweden durchgeführt wurden, liegen aus dem deutschsprachigen Raum nicht vor. Daher hat ADAWIS das inhaltliche Verständnis in deutsch- und englischsprachigen Seminaren mit ausschließlich deutschsprachigen Teilnehmern abgeschätzt. Dazu wurde die Zahl der Diskussionsbeiträge in jeweils 7 Seminaren, die in deutscher bzw. englischer Sprache stattfanden, ausgewertet. Die Zahl der Teilnehmer betrug im Durchschnitt 44,3. Es handelte sich im Wesentlichen stets um dasselbe (deutschsprachige) Auditorium, bestehend aus etablierten Wissenschaftlern mit sehr guten Englischkenntnissen, sowie um dieselbe Thematik. In jedem Seminar wurde die Zahl der Wortmeldungen durch die Zahl der Teilnehmer dividiert. Der Mittelwert dieser Quotienten lag bei 0,457 für deutschsprachige Seminare (s = 0,227; n = 7) und bei 0,073 für englischsprachige Veranstaltungen (s = 0,036; n = 7). Der Unterschied ist signifikant mit p < 0,0005 (t-Test für unverbundene Stichproben). Obwohl es sich nicht um eine systematische empirische Studie handelt, deckt sich das Ergebnis mit den Untersuchungen aus Skandinavien.

In einer fachlinguistischen Untersuchung analysiert der Sprachwissenschaftler W. Thielmann am Beispiel einer Chemie-Vorlesung die gravierenden didaktischen Fallstricke, die in einer „Lingua-franca-Lehrveranstaltung“ zu Tage treten (Zagreber Germanistische Beiträge 28/2019, S. 21-37; Analyse ab S. 31).

Dieser Artikel, der in der Zeitschrift Die Neue Hochschule (Heft 1, 2015, S. 18-24) erschien, zeigt auf, dass die Umstellung der Lehrsprache auf Englisch keineswegs als Ausweis der Internationalität gelten und schon gar nicht eine Bedingung für „Internationalisierung“ sein kann, sondern echte Interkulturalität eher verhindert und die Integration ausländischer Studenten erschwert. Der Aufsatz geht auf den Vortrag zurück, den die Autorin auf dem Kolloquium „Internationalisierung der Hochschulen – Entwicklungen und Korrekturbedarf aus der Sicht der Lehrenden“ gehalten hat, welches der Hochschullehrerbund (HLB) mit Unterstützung des BMBF 2014 in Bonn veranstaltete.

In einem vorangegangenen Aufsatz mit dem Titel „Internationalisierung der Hochschulen - und was ist mit Kultur?" (Die Neue Hochschule, Heft 3, 2013, S. 70-74) zeigt die Autorin auf, dass der Verwendung des Englischen anstelle des Deutschen eine gewaltige kulturelle Dimension zukommt und dass für eine erfolgreiche Gestaltung der Internationalisierung v.a. das kulturelle Selbstvertrauen des Gastlandes, verbunden mit einer interkulturellen Kompetenz, entscheidend ist.

Dieses Plädoyer für die Beibehaltung des Deutschen als Wissenschaftssprache stellt die Rolle der Sprachenwahl in der akademischen Lehre in einen größeren gesamtkulturellen Zusammenhang.